Menschen, deren biologisches Alter höher ist als ihr chronologisches, entwickeln möglicherweise häufiger Demenz als Menschen, deren biologisches Alter ihrem chronologischen Alter entspricht oder darunter liegt. Das geht aus einer Studie hervor, die online in Neurology®, der medizinischen Fachzeitschrift der American Academy of Neurology, veröffentlicht wurde. Das biologische Alter basiert auf Biomarkern des Alterns wie Lungenfunktion, Blutdruck und Cholesterin. Die Studie beweist nicht, dass ein fortgeschrittenes biologisches Alter Demenz verursacht, sondern zeigt lediglich einen Zusammenhang auf.
Chronologisches versus biologisches Alter
Das chronologische Alter muss nicht zwangsläufig dem biologischen Alter gleichen. Das chronische Alter gibt die Lebensjahr an, die seit der Geburt vergangen sind, d.h, wie alt eine Person tatsächlich ist. Das biologische Alter hingegen definiert den Zustand des Körpers, d.h., wie gesund eine Person ist, bzw. welche körperlichen Einschränkungen sie hat. Eine Definition könnte demnach sein, dass das biologische Alter zeigt, wie es wirklich um den Körper bestellt ist. Dabei spielt die Funktionalität wichtiger Systeme, darunter Herz-Kreislauf– und Immunsystem, Stoffwechsel und Zellalterung eine wesentliche Rolle. Viele Faktoren können Einfluss auf das biologische Alter nehmen, z.B. der persönliche Lebensstil, Stress und genetische Bedingungen. Eine Person, die einen gesunden Lebensstil pflegt, kann daher biologisch jünger sein als ihr chronologisches Alter vermuten lässt. Umgekehrt können ungesunde Gewohnheiten das biologische Alter erhöhen.
Personen mit dem höchsten biologischen Alter hatten ein um etwa 30% höheres Risiko, Demenz zu entwickeln
„Angesichts der weltweit zunehmenden Bedeutung von Demenz ist es unerlässlich, Risikofaktoren zu identifizieren und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen“, so der Autor der Studie, Dr. Yacong Bo von der Zhengzhou University in China. “Zwar kann niemand sein chronologisches Alter ändern, aber wir können unser biologisches Alter durch Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung beeinflussen.“ An der Studie nahmen 280.918 Personen aus einer britischen Datenbank teil, die zu Beginn der Studie ein Durchschnittsalter von 57 Jahren hatten und zu diesem Zeitpunkt nicht an Demenz litten. Sie wurden durchschnittlich 14 Jahre lang beobachtet. Während dieser Zeit entwickelten 4.770 Personen eine Demenz.
Die Forscher verwendeten zwei Methoden zur Messung des biologischen Alters. Neben der Lungenfunktion, dem Blutdruck und dem Cholesterinspiegel wurden weitere Biomarker im Blut gemessen, wie beispielsweise das durchschnittliche Zellvolumen und die Anzahl der weißen Blutkörperchen. Diese Methoden zeigen, wie verschiedene Teile des Körpers, wie Stoffwechsel, Immunität, Leber, Nieren, Herz und andere Systeme, im Laufe des Alterungsprozesses zusammenarbeiten. Während Menschen, die später an Demenz erkrankten, zu Beginn der Studie ein durchschnittliches chronologisches Alter von 65 Jahren hatten, verglichen mit 57 Jahren bei denjenigen, die nicht an Demenz erkrankten, lag ihr durchschnittliches biologisches Alter nach einer der Methoden bei 55 Jahren, verglichen mit 45 Jahren bei Personen ohne Demenz.
Bei der Einteilung der Teilnehmer in vier Gruppen anhand ihres biologischen Alters stellten die Forscher fest, dass diejenigen mit dem höchsten biologischen Alter ein um etwa 30% höheres Risiko hatten, Demenz zu entwickeln, als jene in der niedrigsten Gruppe. Diese Ergebnisse wurden um andere Faktoren bereinigt, die das Demenzrisiko beeinflussen könnten, wie Alter, Bildungsniveau und Raucherstatus. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass Menschen mit einem fortgeschrittenen biologischen Alter auch Veränderungen im Gehirn aufwiesen, die mit Demenz in Verbindung stehen, wie beispielsweise einen Verlust an grauer Substanz. „Diese Veränderungen der Gehirnstruktur erklären einen Teil, aber nicht alle Zusammenhänge zwischen fortgeschrittenem biologischen Alter und Demenz“, so Bo. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, dass ein fortgeschrittenes biologisches Alter durch weitreichende Veränderungen der Gehirnstrukturen zur Entstehung von Demenz beitragen kann. Eine Einschränkung der Studie besteht darin, dass die Teilnehmer der Datenbank tendenziell gesundheitsbewusster sind als die allgemeine Bevölkerung und daher möglicherweise weniger anfällig für Demenz sind.